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29.04.2020
Kategorie: Info

Der Sandlatscher interviewt den Umweltminister und NaturFreund Axel Vogel


© Volker Tanner


Herr Vogel, lieber Axel, Sie sind seit einem halben Jahr Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz in Brandenburg. Herzlichen Glückwunsch zu dieser Aufgabe. Wo liegen die inhaltlichen Schwerpunkte des Ministeriums in der neuen Legislaturperiode?

 Mit unserem Eintritt in die Regierung ist Nachhaltigkeit, sind Umwelt-, Klima- und Naturschutz zu Schwerpunkten der Landespolitik geworden. Dass wir künftig nachhaltiger wirtschaften, Energie gewinnen und Landwirtschaft betreiben wollen, wurde an prominenter Stelle im Koalitionsvertrag verankert. Eine Vielzahl der hier verankerten Vorhaben muss von meinem Ministerium angeschoben werden. Das beginnt bei der Erarbeitung einer verbindlichen Klimastrategie und reicht über die Stärkung der ökologischen Landwirtschaft durch einen Ökoaktionsplan, flächengebundene Tierhaltung mit Bestandsobergrenzen, einen Aktionsplan Insektenschutz, ein Moorschutzprogramm, der Schaffung von Wildnisgebieten und der Stärkung unserer Großschutzgebiete bis zu einem Gesetz, das dem Landgrabbing entgegenwirken soll.

 

Welches sind die nächsten Vorhaben?

Weder Tesla noch Corona standen in der Koalitionsvereinbarung und dennoch binden diese Themen derzeit einen großen Teil unserer Arbeitskapazitäten. Egal ob die Soforthilfe für von der Corona-Krise betroffene Agrarbetriebe, fehlende Erntehelferinnen und -helfer, immissionsschutz- oder wasserrechtliche Verfahren in Zeiten der sozialen Distanzierung: Wir müssen hier tagesaktuell immer wieder neu entscheiden. Zugleich arbeiten wir, soweit unter Corona-Bedingungen möglich, an unserer politischen Agenda, wie etwa am Klimaplan und an einem agrarstrukturellen Leitbild als Voraussetzung für ein Agrarstrukturgesetz. Wir schieben Konzepte für Moorschutz und Insektenschutz an und wollen sobald wie möglich einen Kulturlandschaftsbeirat einberufen, in dem der Dialog zwischen Landnutzungs- und Naturschutzverbänden Früchte für die Neuorientierung der Umweltpolitik tragen soll. 

 

Der Klimaschutz ist in Brandenburg erstmalig prominent in einem Ministeriumsnamen vertreten. Welchen Anspruch verbinden Sie damit?

Nach Jahren der Brandenburger „Braunkohle-zuerst“-Politik ist es ein starkes Signal, dass die rot-schwarz-grüne Koalition den Klimaschutz zu einem Schwerpunkt ihrer Arbeit erklärt hat. Dem klaren Bekenntnis zum Pariser Klimaschutzabkommen müssen nun auch entsprechend große Schritte erfolgen. Einer ist mit der Absage an neue Braunkohletagebaue bereits getan. Zentrales Vorhaben ist nun die Erarbeitung einer verbindlichen, alle gesellschaftlichen Sektoren umfassenden Klimaschutzstrategie, die Klimaneutralität bis 2050 gewährleisten soll. Der Startschuss für diesen Klimaplan fiel Ende Februar im Kabinett mit der geplanten Einsetzung einer interministeriellen Arbeitsgruppe. Neben dem Klimaschutz durch Treibhausgasreduzierung werden wir auch Anpassungen an die Folgen des Klimawandels anpacken. Hier geht es unter anderem um die Verbesserung des Wasser-Rückhaltevermögens in der Landschaft und um den klimasensiblen Waldumbau.

 

Wenn Sie gleichzeitig Umwelt- und Landwirtschaftsminister sind, werden viele Konflikte in Ihrem Haus zu lösen sein. Erst recht, weil Brandenburg viele ländliche Räume mit Agrarstrukturen und andererseits viele wertvolle Naturräume hat. Haben Sie ein Konzept für diese schwierigen Herausforderungen?

Konflikte zwischen Landnutzern und Umweltschützern sind nichts Neues. Unter der Leitidee eines  „Schutz durch Nutzung“ lassen sich aber  auch viele gemeinsame Interessen formulieren. Ich bin als Minister Ansprechpartner der gesamten Bauernschaft, wie des Umweltschutzes. Das war ich aber früher auch schon. In den 1990er Jahren, als ich für den Aufbau von Brandenburgs Großschutzgebieten verantwortlich war, ging es ja auch darum, den ländlichen Raum als Lebens-, Wirtschafts- und Naturraum zu erhalten und zu beleben. Schon damals war die Frage nicht: Naturschutz oder Landnutzung, sondern wie kann man beides zusammenbringen? Hier wird der neue Kulturlandschaftsbeirat als Ort der Auseinandersetzung und des Aufeinanderzugehens von Umweltschutz und Landnutzung eine wichtige Rolle spielen. Die Voraussetzungen sind günstig.

Ich habe in meinen Gesprächen mit vielen Landwirten und deren Verbänden eine große Offenheit wahrgenommen. Die Erkenntnis, dass sich etwas ändern muss - nicht nur beim Ausverkauf der heimischen Landwirtschaft an außerlandwirtschaftliche Investoren – ist weit verbreitet. Ich sehe ein zunehmendes Interesse an einer nachhaltigen, umweltgerechten Landwirtschaft. Die Versorgung Berlins mit bio- oder regionalen Produktion ist ja ein riesiger Wachstumsmarkt.

 

Brandenburg war in den 90iger Jahren ein Vorreiter in der Verbreitung des Naturschutzgedankens. Wollen Sie an diese Zeit anknüpfen und dem Naturschutz wieder mehr Gewicht verschaffen  Wenn ja, wie?

Im Koalitionsvertrag ist verankert, dass wir beim Natur- und Umweltschutz an die Erfolge der Gründungsphase unseres Bundeslandes angeknüpften wollen. Ich möchte das Großschutzsystem stärken - auch durch den Ausbau der Umweltbildung. Wir sind dabei, mehr Stellen in den Naturparken und den Biosphärenreservaten zu schaffen und wollen Naturwacht und Besucherzentren in den Großschutzgebieten wie auch im Weltnaturerbe „Buchenwald Grumsin“ besser fördern. Wir wollen unseren Anteil am grünen Band noch dieses Jahr rechtssicher festsetzen.  Die Biodiversität wird künftig eine viel größere Rolle spielen, beispielsweise beim Insektenschutz, den wir mit dem Rückenwind der Volksinitiativen verbessern. Der Naturschutz wird zudem durch höhere Umstellungsprämien für den Ökolandbau, den wir auf 20 Prozent steigern wollen, gestärkt.       

 

Immer mehr Frühjahrstrockenheit und Waldbrände in Brandenburg: Wie wollen Sie Brandenburgs Wälder gegen die Klimawandelfolgen wappnen?

Trockenheit und Hitze der letzten beiden Jahre haben unsere Wälder in Dauerstress versetzt. Darauf müssen wir uns besser einstellen und den Waldumbau hin zu klimastabilen Mischwäldern mit möglichst vielen Baum- und Straucharten vorantreiben. Angesichts von 1,1 Millionen Hektar Wald – das Gros davon Kiefern – bleibt das eine Mammutaufgabe. Um zügiger voranzukommen, werden wir die Waldbaurichtlinie für den Landeswald und die Förderrichtlinien für den Privatwald neu ausrichten und das Waldgesetz novellieren. Wir wollen den Landesforstbetrieb für diese Aufgaben besser aufstellen. Außerdem müssen wir besser mit der knappen Ressource Wasser haushalten, z.B. indem wir das natürliche Rückhaltevermögen der Landschaft verbessern.

 

Man hat den Eindruck, dass in Brandenburg immer mehr große Agrarholdings den Markt über landwirtschaftliche Nutzflächen für sich vereinnahmen. Wollen Sie hier entgegensteuern, und wenn ja, mit welchen Instrumenten?

Das ist ein Riesenproblem. Brandenburg ist durch großlandwirtschaftliche Strukturen geprägt. Viele Eigentümer gehen derzeit in den Ruhestand, aber wegen der hohen Bodenpreise findet sich kaum ein heimischer Nachfolger, der ihnen den Betrieb abkaufen kann. Dafür sind institutionelle Investoren umso aktiver. Allein im Landkreis Märkisch-Oderland ist ein Drittel der Betriebe im Besitz solcher außerlandwirtschaftlicher Investoren. Die treibt in der Regel aber nicht das Interesse an einer regional verankerten Landwirtschaft an, sondern die Aussicht auf zügigen Profit. Leider haben wir die Erfahrung gemacht, dass darunter die Wertschöpfung in der Region leidet, aber auch die Art der Bewirtschaftung. Sie erfolgt meist wenig nachhaltig. Da wird schnell auf großflächigen Maisanbau umgestellt, um Biogas zu produzieren.

Wir wollen dem durch ein Agrarstrukturgesetz entgegenwirken, mit dem Flächenverkäufe und Verpachtungen an außerlandwirtschaftliche Investoren möglichst unterbunden werden sollen. Derzeit sind wir dabei, dafür ein agrarstrukturelles Leitbild zu entwickeln.          

 

Für die Baugenehmigung für Tesla haben Sie sich einen sehr ambitionierten Zeitplan gesetzt? Was ist Ihr Rezept für den zügigen Planungsprozess?

Wir haben mit Tesla eine Leuchtturminvestition, von der wir uns einen Schub für die E-Mobilität, die Erneuerbaren Energien und die Batterietechnik erwarten. Tesla schlägt einen schnellen Schritt ein und es ist gemeinsamer Wille der Landesregierung und der Kommune, das Unternehmen bei diesem Anliegen gut zu unterstützen. Wir setzen dabei auf ein rechtssicheres, transparentes und alle Genehmigungen konzentrierendes Verfahren.  Als Minister kann und darf ich keine politischen Vorgaben in der Sache machen, aber ich kann Prioritäten in der Aufgabenwahrnehmung setzen und das ist hier erfolgt.

 

Eine zunehmende Schlüsselfrage für moderne Naturschutzkonzepte stellt die Zulassung von Naturentwicklungsgebieten dar. Unterstützen Sie das Wildnisziel von 2 % der Landesfläche auch für Brandenburg  als wichtiges Ziel der Naturschutzpolitik?

Ja, wir wollen zur Stärkung der Biodiversität entsprechend der Bund-Länder-Kriterien zwei Prozent der Landesflächen als Wildnisgebiete im Brandenburger Naturerbe ausweisen.

 

Welche Rolle sollte in der neuen Wahlperiode der ehrenamtliche Naturschutz spielen und kann er mit Ihrer Unterstützung rechnen?

Ohne den ehrenamtlichen Naturschutz wären viele, wenn nicht die meisten, Naturschutzvorhaben gar nicht erst entstanden. Gerade beim Monitoring gefährdeter Arten wird deutlich, wie wichtig er ist. Freiwilliges Engagement muss aber auch gepflegt werden. Hier gibt es landesweit bereits die Ehrenamtskarte und die Auszeichnung eines „Ehrenamtlers des Monats“. Wir prüfen eine bessere Unterstützung von Aufwandsentschädigungen und eine Koordinierung des Engagements.

 

Die Brandenburger Naturfreunde haben sich u.a. immer stark für die öffentliche Zugänglichkeit von Seenufern eingesetzt. Unterstützen Sie diese Zielsetzung?

Brandenburgs Seen haben einen immensen Wert für Naturschutz, für Erholung und Freizeit. Mir ist es persönlich sehr wichtig, dass dieser Wert auf Dauer gesichert wird. Dazu zählt grundsätzlich auch die öffentliche Zugänglichkeit. Dies darf aber nicht als Freibrief für Zerstörungen des Schilfgürtels oder Erschließung aller Uferzonen missdeutet werden.

 

Die Brandenburger NaturFreunde freuen sich über die Ankündigung im Koalitionsvertrag, sowohl das Haus der Natur als auch das Landesbüro anerkannter Naturschutzverbände besser zu unterstützen. Welche Erwartungen haben Sie an die Arbeit der Naturschutzverbände?

Was wäre Brandenburg ohne seine wunderbaren Naturlandschaften, seinen Artenreichtum und seine landschaftliche Schönheit? Und wer, wenn nicht zuvorderst die Naturschutzverbände, trägt dazu bei, dass dieser Naturreichtum möglichst bewahrt wird. Meine Hoffnung und Erwartung ist, dass die Verbände das weiter so engagiert machen wie bisher. Dabei möchte ich sie unterstützen. Dass es hier zwischen Landesregierung und Verbänden zuweilen zu unterschiedlichen Sichtweisen kommen kann, ist völlig normal. Ich freue mich auf eine kritische, konstruktive und offene Begleitung unserer Arbeit!

 

Wollen Sie nicht mal mit auf eine Wanderung oder Radtour auf einem der NaturaTrails in europäische Schutzgebiete kommen?

Klar, am liebsten im Genshagener Busch, weil ich den noch nicht kenne. Und dann zeige ich Ihnen auch gerne meinen Lieblingstrail.

 

Vielen Dank für das Interview. Sie sind oder - naturfreundlich formuliert - Du bist seit wenigen Tagen NaturFreund unseres Landesverbandes. Wir sagen herzlich Willkommen und freuen uns auf den gemeinsamen Weg.

 

Das Interview führte Rüdiger Herzog