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12.08.2016
Kategorie: Info

"Keine einzige Lösung, nur Sündenböcke!" - Beitrag von Klara Geywitz


Klara Geywitz

Klara Geywitz

 

Über den Umgang mit der AfD        

Was Populisten anrichten, sehen wir in Großbritannien. Um die Stimmung für den Ausstieg des Königreichs aus der Europäischen Union anzuheizen, war den Populisten keine Parole zu blöd. Offenbar überrascht vom eigenen Erfolg, distanzierten sich dieselben Populisten keine 24 Stunden nach der Volksabstimmung von den eigenen Parolen. So, nein so habe man das ja gar nicht gemeint. Und statt Verantwortung zu übernehmen, traten sie lieber schnell zurück. Zurück ließen sie eine tief gespaltene Nation. Wie es auf der britischen Insel weitergeht, wie viele Arbeitsplätze nun verloren gehen, ob die Währung den freien Fall stoppen kann oder sich Schottland für unabhängig erklärt, all das weiß heute niemand. Großbritannien steht dieser Tage vor einem Scherbenhaufen. Den Populisten sei Dank!

 

Klara Geywitz unterwegs mit den NaturFreunden Land Brandenburg
© Wolfgang Beiner, Klara Geywitz unterwegs mit den NaturFreunden Land Brandenburg

 
Auch in Deutschland haben wir seit wenigen Jahren eine Partei, deren Vertreter den Populisten in Großbritannien in Nichts nachstehen. Ging es anfangs noch um den Euro, entwickelte sich die AfD zunehmend zu einer rechtspopulistischen, in Teilen auch rechtsextremistischen Partei. Zeitlich zusammen fällt dieser Wandel mit dem Aufstieg der so genannten PEGIDA-Bewegung in Dresden. Hier sahen führende AfD-Politiker die Chance, sich als „wahre Volksvertreter“ zu fühlen. Und so kam es, dass oben am Rednerpult PEGIDA-Frontfrau Tatjana Festerling die Ausschreitungen eines braunen Mobs gegen Flüchtlinge im sächsischen Clausnitz als „Mut der Bürger“ lobte, und unten in der Menge Brandenburgs AfD-Chef Alexander Gauland PEGIDA als „natürlichen Verbündeten“ bezeichnete. Auch Thüringens AfD-Chef Björn Höcke fühlt sich zu immer extremeren Parolen ermutigt. Bekannt wurde Höcke, als er als TV-Gast bei Günther Jauch 60 Minuten lang ein kleines Deutschland-Fähnchen ins Bild hielt. So lächerlich wie sein TV-Auftritt sind seine Äußerungen leider nicht. Erfurt, wo er regelmäßig auftritt, müsse „schön deutsch“ bleiben, schreit er in Goebbels-Manier ins Mikrofon. In der AfD sieht er die letzte „friedliche Chance, die unser Land hat.“ In Vorträgen verbreitet er eine rassistische Lehre vom „afrikanischen Ausbreitungstyp“ oder beschreibt das Christen- und Judentum als unversöhnlichen Gegensatz. „Volksgemeinschaft“, „Volksempfinden“, „natürliche Geschlechterordnung“: Höckes Wortschatz ist in der Welt der völkischen Denker der 1920er Jahre verankert.
Auch sein AfD-Kollege Gauland sorgt immer wieder für neue Skandale. Den dunkelhäutigen deutschen Fußballer Boateng beleidigt er als „schlechten Nachbarn“, ehrenamtliche Flüchtlingshelfer als „nützliche Idioten“. Im Leid von Flüchtlingen sieht er ein „Geschenk für die AfD“. Sein Kalkül ist klar: Ständige Grenzüberschreitungen sollen die Hemmschwelle gegen extreme Ansichten senken. Man gewöhnt sich schließlich an alles. Genau in dieses Raster gezielter Grenzüberschreitungen fallen die meisten Äußerungen führender AfD-Politiker.
Wie genau soll man damit umgehen? Natürlich darf man nicht über jedes Stöckchen springen. Nicht jede dämliche Aussage ist ein Eklat wert. Die AfD strebt ja geradezu nach dieser öffentlichen Ausgrenzung, um sich in der Opferrolle anzubiedern. Zu viel Aufmerksamkeit nützt also den Falschen. Gleichzeitig gibt es aber auch Situationen, wo Politik und Gesellschaft es nicht zulassen dürfen, dass rote Linien verschoben werden. Jeder Einzelne von uns muss deutlich sagen: Eine Partei, die an der Grenze auf Frauen und Kinder schießen will, hat in einer demokratischen Gesellschaft keinen Platz. Das hat nichts mit Ausgrenzung zu tun, sondern mit Haltung und Charakter.
Es ist kein doch Zufall, dass es mit zunehmender Hetze gegen Ausländer auch einen massiven Anstieg rechtsextremer Gewalttaten gibt. Angestachelt von rechten Hetzern fühlen sich radikale Kräfte ermutigt, gegen Minderheiten vorzugehen. „Wenn sich die Sache hier dreht, seid ihr die ersten die dran glauben müssen“, rief ein PEGIDA-Anhänger einem Journalisten entgegen. Der Weg vom Populismus zum Extremismus ist nicht weit. Und „Rechtsextremismus muss man im Ansatz bekämpfen“, wie der renommierte Politologe Hajo Funke immer wieder betont.
Ich plädiere daher für eine doppelte Strategie: Klare Kante gegen rechte Hetzer! Und zugleich eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Forderungen der AfD. Sie nennt sich selbst "Partei der kleinen Leute", verteidigt aber das Tricksen von Unternehmen beim Weihnachts- oder Urlaubsgeld. In Baden-Württemberg fordert die AfD die Abschaffung aller Gleichstellungsgesetze für Frauen. Diese seien einer steigenden Geburtenrate „in extremer Weise abträglich“. Frauenfeindlicher geht es kaum. Menschenverachtend ist auch die Einstellung gegenüber Minderheiten: Schwule sollen gezählt und eingestuft werden. Die gesellschaftliche Einbindung behinderter Menschen wird abgelehnt. Über einen Lehrer mit Down-Syndrom sagt Sachsens AfD-Vize: „Wo soll das hinführen, wenn es als normal gezeigt wird?“
So lässt sich AfD-Politik fast auf jedem Feld auseinandernehmen. Die AfD hat für kein einziges Problem eine sinnvolle Lösung, präsentiert aber immer einen Sündenbock: Mal sind es „die Ausländer“, mal „die Behinderten“, „die Schwulen“, „die Frauen“, „die Schwachen“… Wenn wir als Gesellschaft dieses Spiel entlarven, werden immer mehr Menschen feststellen: Die AfD mag eine Alternative sein, aber ganz sicher keine gute! Ich baue bei der Auseinandersetzung mit der AfD auch auf die NaturFreunde in unserem Land. Weil sie nicht nur ein umweltpolitisches sondern auch ein gesellschaftspolitisches Profil zeigen: gegen Hass und Ausgrenzung, für Zusammenhalt und Solidarität.

Klara Geywitz ist Generalsekretärin der Brandenburger SPD und Abgeordnete des Landtages.

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