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15.08.2016
Kategorie: Info

Der Sandlatscher interviewt den Potsdamer Bundestagsabgeordneten Norbert Müller (MdB) zu Hetze und Zivilcourage


Norbert Müller

© Norbert Müller

 

Hassparolen werden immer häufiger geschwungen. Rechte Gewalt nimmt zu. Wie reagieren Bundes- und brandenburgische Landespolitik und was muss besser werden?                   

Ich erkenne an, dass sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene eine ehrliche Absage an Rechts erteilt wird. Leider bleibt es oft nur bei diesem Lippenbekenntnis, was ich durch zwei Beispiele veranschaulichen möchte: So wurde bei jeder Gelegenheit Pegida und Co. der Kampf angesagt, mit den Regelungen zu den sicheren Drittstaaten aber einem Teil der menschenfeindlichen Forderungen entsprochen. Alles in dem Glauben, die potenziellen Wähler*innen nicht zu verlieren. Dies war jedoch ein Trugschluss. So sehen sich die „empörten“ Rassist*innen in ihren Vorurteilen gegenüber sogenannten Wirtschaftsflüchtlingen aus dem Balkan nur bestätigt. Anstelle konsequent für humanistische Werte einzustehen und diese auch zu verteidigen, wurde kleinlaut versucht, den Mob zu besänftigen.
In Brandenburg gibt es seit Kurzem, leider viel zu spät, einen NSU-Untersuchungsausschuss. Hier muss die Landesregierung beweisen, dass es Ihr ernst ist, um eine lückenlose Aufklärung. Dies geht meiner Meinung nach nur in einem der Öffentlichkeit zugänglichen Prozess ohne Geheimniskrämerei. Gerade die Aufarbeitung des NSU- Komplexes führt auch einer breiten Öffentlichkeit immer wieder vor Augen, dass rassistischer Terror und Gewalt nicht erst seit heute ein drängendes Problem darstellen.

Norbert Müller bei der Landeskonferenz der NaturFreundeJugend

Norbert Müller bei der Landeskonferenz der NaturFreundeJugend, © Grit Gerau

Fehlt es uns an einer stabilen Zivilgesellschaft? Was tun?

Es gibt in antirassistischen Initiativen einen großen Erfahrungsschatz an politischer Bildungsarbeit, die heutzutage so wichtig erscheint, wie selten zuvor. Leider wurden dieser in den letzten Jahren eher Steine in den Weg gelegt, anstelle ihnen die gebührende Anerkennung und Unterstützung zukommen zu lassen. So mussten Träger, die seit Jahren antifaschistische Bildungsarbeit leisten, im Zuge der Extremismusklausel der Bundesregierung ein Bekenntnis zu den Verfassungsgrundsätzen ablegen, welches sie durch ihren unermüdlichen Einsatz längst unter Beweis gestellt haben.  
Insgesamt sehe ich keinen Mangel an zivilgesellschaftlichem Engagement. Im Gegenteil: Die vielen, vielen freiwilligen Helfer*innen haben es erst geschafft, den zu uns kommenden Menschen einen größtenteils würdiges Willkommen zu bereiten. Damit haben sie die eklatante Fehlplanung seitens der eigentlich zuständigen staatlichen Institutionen ausgeglichen. Dadurch sind jedoch auch Kräfte gebunden, die bei anderen wichtigen Auseinandersetzungen fehlen.
Ich glaube, es ist wichtig, dass wir gerade die Menschen, die sich erst seit kurzem gesellschaftspolitisch engagieren, für weitere soziale Kämpfe begeistern. Ebenso wichtig wird es sein, dass wir aus einer reinen Verteidigungshaltung herauskommen und selbst in die Initiative gehen.

Und was heißt das aus ihrer Sicht für die NaturFreunde Brandenburg?

Die NaturFreunde sind seit langer Zeit eine wichtige Stütze der außerschulischen Bildungsarbeit. Ich glaube, es ist notwendig, auch immer die gesellschaftspolitische Dimension des eigenen Handelns ins Auge zu fassen. Das betrifft antirassistische Auseinandersetzungen genauso wie das Mensch-Natur-Verhältnis. Rassismus und Kapitalismus stellen da Grenzen her, wo keine sein sollten: zwischen Menschen verschiedener Herkunft, zwischen „Verwertbarem“ und „Nutzlosem“, zwischen uns und denen. Auch der vielbeschworene „Green New Deal“ verharrt nur in den bestehenden Schranken. Doch die Verhältnisse sind menschengemacht und können deswegen auch verändert werden. Sich das immer wieder ins Bewusstsein zu rufen, hilft über so manche Periode des gefühlten Stillstands. Wenn wir umweltpolitische und andere gesellschaftliche Kämpfe führen, hilft uns das vielleicht als zusätzlicher gemeinsamer Nenner. 

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